Archiv der Kategorie: Gedanken

Die letzte Nacht


Ich laufe durch die Nacht. Flackernde Strassenlaternen werfen ihr tristes Licht auf den Weg vor mir. Ich fühle mich einsam, als wäre ich nur noch ein Schatten, als hätte ich mich selbst verloren. In einer Weise habe ich das auch, irgendwo in der Dunkelheit. Existieren Schatten in der Nacht? Eisiger Regen fällt auf die Strassen, tropft von den Bäumen über mir und durchnässt mich. Wenn ich könnte, dann würde ich mich hier hinlegen. Ich würde mich zusammenrollen inmitten des prasselnden Regens und die Augen schliessen. Doch ich merke, dass ich verfolgt werde. Dass dafür keine Zeit bleibt. Schwarze Gestalten lauern hinter meinem Rücken und obwohl ich sie nicht sehen kann, spüre ich sie. Erst waren es nur zwei, dann drei, nun sind sie unzählbar. Sie lösen sich von den Türen der Häuser, kriechen aus den Gassen, folgen mir leise und einige warten an der Kreuzung in der Ferne. So langsam und bedächtig als wollten sie mich nicht erschrecken, als wollten sie mich in Sicherheit wiegen. Sie flüstern falsche Versprechen in den Wind oder jammern über verlorene Zeiten. Sprechen von Worten, die ich vergessen habe. Ich bin nicht hier, bin nirgendwo anders, bin nicht mehr ich und doch niemand sonst. Sie versuchen nach mir zu greifen, ziehen an meinem Mantel, und ich löse mich auf bis ich nichts mehr fühle. Bis ich mich nicht mehr fühle. Es ist nur ein Spiel, dass immer weiter geht. Als sässe ich auf einem Karussel. Ja ich vermisse mich manchmal. Das was ich sein wollte, was ich war, was ich verloren habe. Ich vermisse dich manchmal. Ich laufe durch die Nacht und löse mich auf, langsam aber stetig. Regen fällt. Und es fühlt sich so an als wäre dies meine letzte Nacht.

Schneeweiss


Wenn die Barrikaden fallen.


Die Stimmen werden lauter in der Nacht. Ganz so als wüssten sie, wann die Barrikaden fallen. Sie erzählen Geschichten von Betrug und Enttäuschung und von falscher Hoffnung. Sie pflanzen Gedanken in meinen Kopf als wären es Samen, lassen sie wachsen, lassen sie blühen, lassen sie wuchern. Blutrot. Eisblau. Nachtschwarz. Sie flüstern und seufzen und schreien ihre Geschichten. Eine Symphonie aus Ängsten. Wimmernd verkriechen sie sich in den kleinsten und dunkelsten Ecken, kratzen mit ihren scharfen Nägeln an meinem Verstand und fletschen die Zähne. Sie versuchen mich mit ihrem Gesang zu locken, mich in die Tiefe zu ziehen und wie eine Welle zu brechen. Und manchmal klagen sie nur leise vor sich hin, als fürchteten sie, man würde sie belauschen.

Ich höre ihnen zu, halte den Atem an und warte. Warte auf den Morgen.

Rosenrot


Illusion?


„Ich bin mir nicht sicher, wann wir uns verloren haben. Und ob wir zu diesem Zeitpunkt weiterhin existieren. Doch allmählich begreife ich.  Nur ein schmaler Grat trennt die Wirklichkeit noch von der Illusion. Und irgendwie sind wir gefallen. Wie dumm von uns nicht besser aufzupassen.“

There's only a narrow ridge between reality and illusion

Rosenrot


Liebe ist doof


„Liebe ist doof“ sagte die Raupe als sie erfuhr, dass sie für das nächste Jahr als ‚Bauchkribbelschmetterling‘ eingeteilt wurde. Wo es doch immer so düster war.

„Liebe ist doof“ sagte der Frosch als auch nach 300 Küssen noch immer nicht die Richtige dabei war, um ihn zurück in einen Prinzen zu verwandeln.

„Liebe ist doof“ sagten die Schafe als sie ganze 1376 Mal über den Zaun gesprungen waren und die beiden Verliebten trotzdem nicht einschlafen wollten.

„Liebe ist doof“ sagte die Biene als wieder einmal alle wissen wollten, wie das denn genau funktioniert mit den Bienchen und den Blümchen.

„Liebe ist doof“ sagte der Storch als er bereits den dritten Sonntag am Stück in diesem Monat arbeiten musste um Überraschungspakete auszuliefern.

„Liebe ist doof“ sagte das Gänseblümchen als es alle Blütenblätter verlor.

„Liebe ist doof. Aber nur manchmal.“

Rosenrot


Insomnie


Schlaflos und doch so müde. Ich spüre, wie mein Körper die Ruhe herbeisehnt. Immer wieder fallen meine Augen zu, schmerzend, und ich versuche einzuschlafen. Einzutauchen in Traumwelten. Stattdessen bleibt mein Gehirn hellwach. Flimmernd, wie Glühwürmchen, flatternd, wie die Flügel eines Kolibris. Ruhelos. Schlaflos. Unfähig mich zu lösen von meinem Ich. Gedanken, die in meinem Kopf ganze Wanderungen vollziehen. Und ich mittendrin und doch meilenweit entfernt.
Immer wieder verbringe ich Nächte auf diese Weise. Unfähig zu schlafen, horche ich in die Stille. Lausche dem Atmen meines Freundes. Dem leisen Surren der Elektrogeräte. Den vorbeifahrenden Autos auf der Hauptstrasse. Manchmal auch nur dem stillen Weinen in der unerträglichen Dunkelheit, und frage mich woher es kommt. Gedanken rauschen in meinem Kopf. Sie brechen wie Wellen. Und am Ufer bleiben Szenarien, wie angeschwemmtes Strandgut, liegen. Szenarien, die ich mir ausmale und die mich beängstigen. Und ich bin mittendrin und doch so fern. So müdesfern. Bis endlich alles leiser wird. Die Stimmen in meinem Kopf verklingen. Wer weiss, ob selbst sie sich schlafenlegen? Bis irgendwann auch ich weggetragen werde. Vergessen kann. Für diesen kurzen Moment. Zeit.

Rosenrot


Vielleicht …


Vielleicht war es ein Vielleicht zu viel.
Vielleicht kam ein Wort zu früh oder es war nur zu spät. Alles.
Vielleicht warst nicht du der Schuldige. Vielleicht nicht ich oder wir.
Und wenn doch?

Vielleicht ist es zu gross für uns, zu allgegenwärtig, zu intensiv.
Vielleicht hätte es nicht sein sollen. Oder? Oder…
Vielleicht war ich zu stur und du, du warst zu stolz.
Ich war zu unsicher und du zu müde mich zu halten. Viel zu müde.

Vielleicht genügt Zeit nicht. Genügt es nicht zeitlos zu sein.
Vielleicht wurde der Regen zum Sturm, der uns auseinander trieb.
Vielleicht waren wir nur kopf- und sinnlos. Aber nie hoffnungslos.
Sollte es nicht so bleiben?

Ich und du. Wir. Uns. Du meins und ich deins. Wir.
Vielleicht…

Schneeweiss


Januar


Kalte Strassen liegen vor mir.
Eisiger Wind berührt mein Haar.
Eine zarte Umarmung, beruhigend.
Fingerspitzen auf meiner Haut und rote Lippen.

Rosenrot